Etwa jedes siebte Paar in Deutschland ist von Fruchtbarkeitsstörungen betroffen. Trotzdem ist Sterilität nach wie vor ein Tabuthema und viele Betroffene schämen sich dafür. Als steril gilt, wer mindestens ein Jahr lang erfolglos versucht, schwanger zu werden. Die Kinderwunschpaare fühlen sich angesichts der Diagnose oft hilflos und sehen ihre Zukunftspläne bedroht. Die Partnerschaft wird auf den Prüfstand gestellt: Wollen wir auch ohne Kind eine gemeinsame Zukunft? In einigen Fällen zerbricht die Beziehung sogar an der Krise. Eine Behandlung bietet gute Erfolgschancen, ist aber oft langwierig. Mit der Familienplanung komplett abzuschließen, kommt für viele jedoch auch nicht in Frage.
Viele Ursachen - kein Schuldiger
Fruchtbarkeitsstörungen treten in der westlichen Welt immer häufiger auf und können viele Ursachen haben:
- Später Kinderwunsch: Mit zunehmendem Alter wird es schwieriger, schwanger zu werden.
- Seelische Überlastung: Stress kann Fruchtbarkeitsstörungen fördern.
- Ungesunde Lebensweise: Wenig Bewegung, unausgewogene Ernährung, Rauchen und Alkoholkonsum können sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken.
- Umweltfaktoren: Verschiedene, bisher teilweise wenig erforschte, Umwelteinflüsse wie Lärm, Schadstoffe und Hormone begünstigen Fruchtbarkeitsstörungen. Bei Männern kann sich auch zu enge Kleidung oder Radsport, die zu einer Überhitzung der Hoden führen, negativ auswirken.
- Hormonelle oder organische Störungen: Bei der Frau u.a.: Störung der Eierstockfunktion, Endometriose, eine nicht behandelte Chlamydieninfektion, Diabetes oder Infektionskrankheiten. Beim Mann u.a.: gestörte Hodenfunktion, Samenleiterverschluss, Immunologische Sterilität, Infektionen.
Diese Faktoren können zu dauerhaften oder vorübergehenden unfruchtbaren Phasen führen. Dabei ist es ein Irrglaube, dass zwangsweise Frauen die „Hauptschuldigen" für die Kinderlosigkeit sind. Störungen treten bei Frau und Mann gleichermaßen auf, gegebenenfalls sogar bei beiden.
Der Umgang mit der Sterilität
Der Umgang mit der Sterilität kann bei den Geschlechtern hingegen völlig unterschiedlich aussehen. Frauen gehen in der Regel offener mit ihrer Unfruchtbarkeit um, während Männer sie teilweise als persönliches Versagen ansehen und sie lieber verschweigen. Eine Konfrontation mit der Diagnose ist in jedem Fall schwierig. Gutgemeinte Ratschläge von Außenstehenden wie „Ihr müsst euch entspannen" oder „Ihr habt doch noch so viel Zeit" kränken das betroffene Paar oft noch mehr anstatt zu helfen. Viele behalten ihre Sterilität deshalb für sich. Es ist jedoch rat- und heilsam, sich zumindest einigen engen Freunden anzuvertrauen und sich nicht völlig von der Außenwelt abzuschotten. Das ist auch wichtig, um den Partner als Trostspender zu entlasten. Schließlich soll es in der Beziehung auch noch Platz für andere Dinge geben. Vielen hilft es auch, ihre Erfahrungen zu Papier zu bringen.
Seinen Arzt sollte man auf jeden Fall einweihen. Der kann eine klare Diagnose stellen und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten empfehlen. Für die belastete Partnerschaft kann es gut sein, wenn Ihr zu zweit zu allen Terminen gehen, schließlich ist es Euer gemeinsames Anliegen. Besinnt euch immer auf das Positive, Vereinende: Euren gemeinsamen, starken Kinderwunsch.
Künstliche Befruchtung und die Alternativen
Ob man eine medizinische Behandlung in Betracht zieht, ist eine sehr persönliche Entscheidung. Die gängigen Behandlungen bei Kinderwunsch sind IVF (In-vitro-Fertilisation) und ICSI (Intracytoplasmatische Spermieninjektion). Oft braucht es bei diesen Methoden mehrere Anläufe bis es zu einer Schwangerschaft kommt und die Wahrscheinlichkeit am Ende tatsächlich ein Kind „mit nach Hause nehmen" zu können, liegt bei jedem Behandlungszyklus bei etwa 19%. Eine künstliche Befruchtung bedeutet zudem zusätzliche seelische und körperliche Belastung. Für viele ist die Behandlungszeit eine reine Achterbahnfahrt aus Hochs und Tiefs, Hoffnung und Enttäuschung. Und auch den finanziellen Aspekt muss man bedenken: die Krankenkassen übernehmen, wenn die eigenen Bedingungen erfüllt sind, mindestens 50%, teilweise bis zu - 100% der Kosten der ersten drei Versuche. Den Rest bezahlt das Paar selbst. Genauere Informationen rund um die Behandlung findet Ihr in unseren FAQs.
Lasst Euch jedoch nicht entmutigen. Wenn die Behandlung erfolgreich ist, sind die Strapazen schnell vergessen. Denn die Chance, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden ist fast so groß, wie auf natürlichem Wege. Allerdings gibt es im Vergleich zur „normalen" Schwangerschaft einige Risiken: Mehrlingsschwangerschaften sowie Fehl- und Frühgeburten treten etwas häufiger auf. Um nicht in eine endlose Spirale aus gescheiterten Versuchen und neuen Behandlungsplänen zu geraten, sollte man sich bewusste Auszeiten nehmen, um Körper und Geist zu erholen und zu überprüfen, ob man weiterhin an diesem Weg festhalten will.
Denn es gibt auch Alternativen zur medizinischen Behandlung. Oft werden Kinderwunschpaare von Außenstehenden an Kinderheime verwiesen: „Dann adoptiert doch eins", heißt es plump. Eine Adoption kann für manche Paare genau das richtige sein. Für andere kann sie ein eigenes Kind aber nicht ersetzen. Ein Kind zu adoptieren sollte in keinem Fall als „Notlösung" verstanden werden.
Mit dem Kinderwunsch gänzlich abzuschließen, fällt schwer. Aber auch das kann manchmal der richtige Weg sein. Denn manche verlieren sich in ihren jahrelangen Bemühungen, endlich ein Kind zu zeugen. Dabei kann das Setzen von neuen, gemeinsamen Perspektiven für eine Partnerschaft ebenfalls gewinnbringend sein. Denn die Entscheidung für den Partner trotz Kinderlosigkeit, spricht für eine stabile Beziehung.
Ob du eine künstliche Befruchtung in Erwägung ziehst oder nicht, Beratung durch einen Arzt ist für deine seelische und körperliche Gesundheit wichtig. Auch spezielle Kinderwunsch-Zentren, Selbsthilfegruppen oder Literatur (im Ratgeber) helfen Kinderwunschpaaren beim Umgang mit der Sterilität und spenden Trost.